Muskelaufbau beim Pferd

Um den Muskelaufbau beim Pferd ranken sich viele Mythen. Es ist ein unter Reitern und Pferdehaltern weit verbreiteter Glaube, dass für den Muskelaufbau Speckpolster am Pferd hilfreich oder sogar nötig sind. Aber wie genau funktioniert der Muskelaufbau eigentlich? Und welche Nährstoffe werden dafür benötigt?

Trainingsreize sind für den Muskelaufbau unbedingt erforderlich

Muskelaufbau bei Pferden funktioniert kurz gesagt genauso wie beim Menschen auch. Bei uns Menschen würde so gut wie niemand auf die Idee kommen zu sagen, dass übergewichtige Menschen leichter und besser Muskeln aufbauen können als Schlanke. Was für den Muskelaufbau wirklich nötig ist, sind Trainingsreize. Folgender Grundsatz wird leider oft vernachlässigt: Um Muskelwachstum anzuregen, muss die Muskulatur regelmäßig über ihr normales Leistungsniveau hinaus beansprucht werden!

Grundvoraussetzung für den Muskelaufbau ist eine entspannte, gut durchblutete Muskulatur.

Diese Bilder zeigen den jungen Herder als Remonte (links), und das gleiche Pferd nach sechs Jahren (rechts), jeweils unter Felix Bürkner. Deutlich ist zu sehen, dass Herder als Remonte ein sehr schlankes Pferd war. Die gute und starke Bemuskelung ist durch konsequente Arbeit und das Setzen der richtigen Trainingsreize entstanden und nicht durch zu große Futtergaben.

Proteine sind Hauptbestandteile der Muskeln

Nachdem ausreichend Trainingsreize gesetzt wurden wird das Muskelwachstum angeregt. Hierfür sind Proteine (Eiweiße) notwendig. Und woher kommen nun diese Proteine? Keinesfalls aus dem Körperfett, sondern aus der Nahrung. Es ist biochemisch völlig unmöglich, Körperfett direkt in Muskelproteine umzuwandeln.

Für viele mag es eine Überraschung sein: Heu enthält ungefähr den gleichen prozentualen Anteil an Proteinen wie Kraftfutter (Hafer). Da das Pferd problemlos große Mengen an Heu fressen kann ist Heu – gute Qualität und ausreichende Menge vorausgesetzt – Hauptlieferant von Proteinen für das Pferd. Das Landesgestüt Warendorf hat bei seinen Leistungspferden die Fütterung auf viel Heu und wenig Hafer umgestellt, wodurch die Pferde leistungsbereiter und schlanker wurden (siehe z.B. Cavallo 03/2008). Bei leichtfuttrigen Rassen (wie zum Beispiel Shetlandponies) müssen jedoch die Heurationen limitiert werden, da selbst reine Heufütterung ansonsten zu Rehen führen kann. Darüber hinaus ist es wichtig auf eine ausgewogene Ernährung des Pferdes zu achten, damit es nicht zu einer Unterversorgung einzelner Aminosäuren kommt. Zu den wichtigsten, limitierenden essentiellen Aminosäuren zählen Lysin, Threonin und Methionin welche zum Beispiel über spezielle mit Aminosäuren versetzte Mineralfutter im Bedarfsfall zugeführt werden können, falls die Analyse der Futtermittel einen Mangel offenlegt.
Eine dauerhafte Überversorgung mit Proteinen ist unbedingt zu vermeiden, da der Körper überschüssige Proteine nicht speichern kann, sondern abbauen muss. Bei diesem Abbau entsteht das Zellgift Ammoniak, welches in der Leber unter großem Energieaufwand in Harnstoff umgewandelt wird. Dieser Harnstoff wird dann über die Nieren ausgeschieden. Eine Überversorgung mit Proteinen belastet daher Leber und Nieren.

Muskelarbeit: Energielieferanten

Beim Setzen der Trainingsreize werden Muskeln beansprucht. Für diese Muskelarbeit ist Energie notwendig, welche hauptsächlich aus Kohlenhydraten gewonnen wird und zu einem geringeren Anteil aus Fetten. Bei normalem Training, das in den meisten Fällen maximal eine Stunde dauert, wird der größte Anteil der Energie aus Kohlenhydraten gewonnen. Erst bei extremer Ausdauerbelastung (damit ist kein langer Schrittausritt gemeint) wird hauptsächlich Fett als Energieträger verwendet (Universität Leipzig, Skript Physiologie – Muskulatur). Die Fütterung wird also den Körperfettanteil weit mehr beeinflussen als das Training, es sei denn man trainiert beispielsweise für Distanzrennen. Daher ist bei normalem Training für eine angepasste Versorgung des Pferdes mit Kohlenhydraten zu achten, damit die Muskeln arbeiten können.

Viele Kohlenhydrate enthalten Kraftfutter, wie zum Beispiel Müsli und Hafer. Zu viel Futter, vor allem Kraftfutter führt zu Übergewicht, welches unnötigen Ballast für die Gelenke darstellt und das Herz- Kreislaufsystem belastet. Zusätzlich werden dadurch Stoffwechselprobleme verursacht. In wissenschaftlichen Studien wurde auch gezeigt, dass übergewichtige Pferde eher zu Hufrehen neigen (Treiber et al., 2006, Carter et al., 2009). Zu große Kraftfuttergaben auf einmal können darüber hinaus Magenprobleme und sogar Magengeschwüre verursachen. Als Faustregel gilt: Maximal 1 Gramm Kraftfutter pro 1 Kilogramm Körpergewicht pro Mahlzeit. Das heißt, ein Pferd von 600 kg soll pro Mahlzeit maximal 600 Gramm Kraftfutter aufnehmen (Luthersson et al., 2009).

Fazit

    • Regelmäßige Trainingsreize sind für den Muskelaufbau unabdingbar. Diese Trainingsreize müssen die Muskulatur über ihr normales Leistungsniveau hinaus beanspruchen.
    • Proteine und nicht Fette werden für den Muskelaufbau benötigt. Das Pferd kann seinen Proteinbedarf durch ausreichende Heurationen guter Qualität im Normalfall abdecken.

 

    • Hauptlieferant der Energie für Muskelarbeit sind Kohlenhydrate und nur zu geringem Anteil Fette. Hierfür kann Kraftfutter zugefüttert werden, jedoch maximal 1 Gramm Kraftfutter pro Kilogramm Körpergewicht pro Mahlzeit und nicht mehr als 2 Gramm Kraftfutter pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag.

Findet trotz gutem Training und richtiger Fütterung kein Muskelaufbau statt, sollte ein Tierarzt hinzugezogen werden. Ist der Muskelaufbau dagegen ungleichmäßig und bestimmte Partien des Pferdes bemuskeln sich schlechter als andere, ist eine physiotherapeutische Behandlung angeraten.

Quellen

Fotos:

  • Menzendorf, Leihgabe Niedersächsische Sparkassenstiftung und Kreissparkasse Verden im Deutschen Pferdemuseum.

Wissenschaftliche Studien:

  • Carter RA, Treiber KH, Geor RJ, Douglass L, Harris PA (2009). Prediction of incipient pasture-associated laminitis from hyperinsulinaemia, hyperleptinaemia and generalised and localised obesity in a cohort of ponies. Equine Veterinary Journal
  • Luthersson N, Nielsen KH, Harris P, Parkin TD, 2009: Risk factors associated with equine gastric ulceration syndrome (EGUS) in 201 horses in Denmark. Equine Veterinary Journal
  • Treiber KH, Kronfeld DS, Hess TM, Byrd BM, Splan RK, Staniar WB (2006). Evaluation of genetic and metabolic predispositions and nutritional risk factors for pasture-associated laminitis in ponies. Journal of the American Veterinary Association

Weiterführende Links:

Weitere Quellen:

  • Universität Leipzig, Fakultät für Sportwissenschaften, Skript Physiologie – Muskulatur
  • Cavallo 03/2008: Medizin & Gesundheit, Fett verschätzt